- Noch immer sind die meisten Führungspositionen – vor allem in Vorständen großer Unternehmen – mit Männern besetzt. Gründe dafür sind fest verankerte Rollenbilder und ein Staat, der nicht handelt.
- Eine Frauenquote kann helfen, die notwendigen gesellschaftlichen Entwicklungen zu beschleunigen. Sie wäre ein lang überfälliges Zeichen dafür, dass sich Spielregeln ändern.
- Bei gleicher Eignung der BewerberInnen gibt die Frauenquote den Ausschlag für die Frau. Das heißt, dass Quotenfrauen wegen ihrer persönlichen Qualifikationen in ihre Positionen kommen und nicht „aufgrund“ einer Quote. Wichtig ist lediglich, was frau daraus macht und welche Leistungen sie erbringt.
Auch in Zeiten der vermeintlichen Gleichberechtigung werden zu wenige Führungspositionen von Frauen besetzt. Was können machtvolle Frauen heute tun, damit Frauen morgen mehr Macht haben? Über diese Frage diskutierten die Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde mit Dr. Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung und ehemalige Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium, und Katja Kraus, ehemalige Nationaltorhüterin, ADIDAS-Aufsichtsrätin und Managing Partner Jung der Matt/sports GmbH. Ein Thema in der Debatte war die Frauenquote: Ist sie notwendig oder ein Zwang, der Realitäten verzerrt? Leonie Straten hat die Debatte zusammengefasst und kommt zu einer handfesten, persönlichen Schlussfolgerung.
Frauenquote: Ein großes Wort, aber was steckt eigentlich dahinter? Die bisher gesetzlich verabschiedete Frauenquote gilt seit 2015 allein für die Aufsichtsratsposten von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen und legt fest, dass bei Neubesetzung darauf hingearbeitet werden muss, einen Frauenanteil von mindestens 30 % zu schaffen. Zuerst die gute Nachricht: Die 30 % wurden in den Quotenunternehmen mittlerweile leicht überschritten. Wirft man jedoch einen Blick auf die Vorstände der Top-200-Unternehmen, liegen wir laut DIW 2020 immer noch unter 10%. Das ist die schlechte Nachricht. Bisher muss das Unternehmen selbst eine Frauenquote festlegen, die es in Zukunft bei der Ernennung von Vorstandsposten erreichen soll. Liegt das Ziel unter 30 % darf es zumindest nicht geringer sein als der bisherige Status Quo. Kein schweres Spiel, denn der Status Quo liegt in den meisten Unternehmen bei null. Nur 37 von 160 Unternehmen haben eine Quote formuliert, die über ihrem Minimum lag.
Das Bild von Führungskräften ist durch männliche Attribute geprägt
Was ist der Grund dafür, dass so wenig Frauen in Führungspositionen sind, obwohl die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann seit 1949 im Grundgesetz verankert ist? Da sind auf der einen Seite fest verankerte Rollenbilder in den Köpfen vieler Menschen und auf der anderen Seite der Staat, der bisher viel zu wenig getan hat, um daran etwas zu ändern. Betrachtet man die aktuellen Zahlen von HochschulabsolventInnen, kann man nicht davon ausgehen, dass es für Führungspositionen signifikant weniger qualifizierte Frauen gibt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Auswahl nach Kompetenzen nur selten stattfindet. Darauf deutet auch hin, dass das Bild von Führungskräften von männlichen Attributen geprägt ist, bzw. dass Arbeitgeber Männern eher die Eigenschaften zuschreiben, die sie von ihren Führungskräften erwarten. Also eine statistische Diskriminierung von Frauen im doppelten Sinne. Von rationalen Personalentscheidungen in Bezug auf weibliche/männliche Kandidaten kann nicht die Rede sein. Sie sind eher geleitet von bewussten oder unbewussten Vorstellungen und Erwartungen. „Die Führungsschichten der Wirtschaft rekrutieren sich immer selber. Man greift lieber auf denjenigen zu, von dem man meint, sicher sein zu können, dass er so ist wie man selber“, sagte etwa der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz, Edzard Reuter, dem Magazin brand eins.
Laut einer Studie des WEF aus dem Jahr 2017 dauert es noch 100 Jahre bis zur Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt, wenn die Fortschritte im gleichen Tempo vorangehen. Das zeigt, dass eine Frauenquote absolut notwendig ist und der Prozess der Gleichstellung nicht sich selbst überlassen werden kann. Es gibt eine Einkommenskluft, die in verantwortungsvollen Positionen größer wird. Es gibt mehr Frauen in schlecht bezahlten Berufen als Männer. Wie oft habt ihr hinter der Bäckertheke schon einen Mann gesehen? Dass gesetzliche Regelungen notwendig sind, sollte einleuchten. Dass die Frauenquote nicht allein einen ausreichenden Wandel bewegen kann, ebenfalls.
Vetternwirtschaft als Nebensache
Trotz dieser offensichtlichen Notwendigkeit ist die gesetzliche Frauenquote umstritten. Das konnte ich bei der Elefantinnenrunde im November 2019 feststellen. Frauen nehmen es teilweise als persönliches Manko wahr, wenn sie „aufgrund“ der Frauenquote in ihre Position gekommen. Ich frage mich, wie das sein kann. Die Frauenquote existiert nur für (wenige) sehr verantwortungsvolle Positionen. Das bedeutet, dass frau stolz sein kann, so eine wichtige Position zu bekleiden. Außerdem bedeutet eine Quotenregelung, dass bei gleicher Qualifikation eine Frau bevorzugt wird. Ein Quotenplatz beinhaltet folglich keine negative Aussage über die persönliche Qualifikation. Und außerdem: Ist es nicht egal, wie man dorthin gekommen ist? Es spielt eine viel größere Rolle, was frau daraus macht und welche Leistungen sie erbringt. Ein altbekanntes Wort ist die „Vetternwirtschaft“: Männer, die ihnen bekannte oder nahestehende Männer für freie Positionen vorschlagen. Das mag ähnlich negativ konnotiert sein wie die Frauenquote, doch habe ich noch von keinem Mann gehört, der sich geschämt hat, auf diesem Weg an seinen Posten gekommen zu sein. Bei manchen Frauen scheint dies leider der Fall zu sein, obwohl die Frauenquote absolut gerechtfertigt ist.
Rabenvater und Karrieremann? Noch nie gehört!
Weibliche Führungskräfte sind wichtig. Sie sind Vorbilder für andere Frauen und können über Personalentscheidungen Einfluss auf die Frauenquote im Unternehmen nehmen. Häufig sind es Aufsichtsrätinnen, die eine Debatte über Gleichstellung anstoßen. Ob ein Trickle-Down-Effekt besteht, also eine Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand und den niederen Führungspositionen, kann zwar nicht eindeutig nachgewiesen werden, vieles weist aber darauf hin.
Neben der Frauenquote gibt es weitere wichtige Stellschrauben, an denen gearbeitet werden muss. Eine große Rolle spielen dabei die Anforderungen an Führungsposten. Solange sie so zugeschnitten sind, dass sie einen enormen zeitlichen Einsatz erfordern, können entweder nur Personen diese Posten bekleiden, die wenige sonstigen Verpflichtungen haben (z.B. kinderlose Frauen) oder Personen, die in ihrer Partnerschaft das Ein-Verdiener-Modell verfolgen. In letztem Fall wird schnell in das klassische Rollenmodell verfallen. Eine Lösung wäre Jobsharing. Und davon würden nicht nur die Frauen profitieren, sondern auch junge Väter, die gerne mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen würden. Oder wie wäre es mit der Übernahme einer Regel aus Schweden? Dort gelten Meetings nach 16 Uhr als Tabu, denn Kollegen (auch männliche!) müssen ihre Kinder aus Kita und Schule einsammeln. Darüber hinaus müssen an unserem Vorstellungsbild arbeiten und Vorurteile weiter bekämpfen. An den Bezeichnungen Karrierefrau und Rabenmutter erkennt man, dass Rollenbilder noch tief verankert sind. Ein Rabenvater, der keine Elternzeit nimmt oder Karriere- und Powermänner? Noch nicht gehört.
Mein Fazit: Die Frauenquote ist absolut erforderlich, damit junge, aufstrebende Frauen heute die Chance haben, die Gleichstellung von Mann und Frau im Beruf noch mitzuerleben. Und sie ist ein Zeichen, dass sich nun endlich etwas bewegt und dass sie Regeln ändern. Eine Frauenquote reicht in ihrer derzeitigen auf Aufsichtsräte beschränkten Form jedoch nicht aus.
Also: Frauenquote gerne und mehr!
Autorin: Leonie Straten, gelernte Bankkauffrau und Jurastudentin
„Die Elefantinnenrunde ist für mich eine einmalige Gelegenheit, von umfassenden Erfahrungswerten zu profitieren und eine neue Sichtweise auf verschiedene Themen und Lebenssituationen zu erlangen“.