• Wenn „Die Tagesschau“ Spielergebnisse der „Bundesliga“ vorstellt, sind damit selbstverständlich die Ergebnisse der Herrenspiele gemeint. Frauenfußball ist in Deutschland immer noch ein unbeachtetes Nischenthema. Was die Sichtbarkeit von Frauenfußball angeht, nimmt vor allem Großbritannien eine Vorreiterrolle ein.
  • Gemeinsam mit ExpertInnen und unter dem Einsatz von Design-Thinking-Methoden haben die Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde Frauenbilder erarbeitet, die Unternehmen nutzen können und die es attraktiv machen, Frauen im Fußball zu unterstützen.
  • Das Ergebnis: Frauen scheuen keinen Wettbewerb per se, sondern bevorzugen das Modell des „kooperativen Battles“, das sich auf Spielregeln, faire Vergleiche und Vergleichsgrundlagen und eine objektive Beurteilung durch einen unparteiischen Schiedsrichter stützt. Hier muss in vielen Unternehmen ein Kulturwandel stattfinden, wenn man für Frauen als Arbeitgeber attraktiv sein will.

Frauenfußball ist in Deutschland noch immer ein unbeachtetes und unterfinanziertes Nischenthema abseits medialer Öffentlichkeit und fern von ausgeschöpftem Potential. So könnte der Lieblingssport der Deutschen als Vehikel für Gleichberechtigung und Diversität fungieren. Im Rahmen der Elefantinnenrunde haben wir gemeinsam mit VertreterInnen aus Sport und Wirtschaft Frauenbilder erarbeitet, die Unternehmen nutzen können und die es attraktiver macht, Frauen im Fußball zu unterstützen. Unser Methodenkoffer reichte dabei von kreativen Brainstorming- und Reflexionssessions bis hin zu kurzen Sprints. Den Anfang machte eine Reihe kurzer Impulsvorträge unserer Gäste.

Lina Albrecht hat jahrelang erfolgreich Fußball gespielt. Das Training, der Mannschaftszusammenhalt, die Spiele bei Turbine Potsdam waren ihre große Leidenschaft. Doch kurz vor dem Abitur entschied sich die 18-Jährige dazu, ihre Fußballkarriere an den Nagel zu hängen. Eine schlimme Verletzung? Stress in der Schule? Umzug in eine andere Stadt? Keiner der Gründe trifft auf die 18-Jährige zu. Lina hat sich entschieden, aus dem Frauenfußball auszusteigen, weil sie darin keine Zukunftsperspektive sieht. „Meine Brüder finanzieren sich mit dem Fußball als Hobby ihr Studium. Für mich wäre das selbst als Profispielerin niemals möglich gewesen. In Deutschland bringt mich ein gutes Abitur weiter als das Fußballspiel. Das ist die traurige Realität“, erzählt sie. Heute kickt Lina nur noch zweimal pro Woche. Aus ihrem liebsten Zeitvertreib wurde lediglich ein Hobby wie jedes andere auch. Aus ihrer Passion wurde Desillusion.

Frauenfußball einzigartige und besondere Sportart

Foto: Reinhardt & Sommer

Christine Thoma, die selbst lange Fußball gespielt hat und beim Urban Sports Club in Berlin die Urban Sports League leitet, macht für den niedrigen Stellenwert des Frauenfußballs in Deutschland vor allem strukturelle Faktoren verantwortlich und zeigt auf, dass es auch anders geht. Durch ihre Auslandsaufenthalte in den USA und Großbritannien weiß sie, dass in diesen Ländern Frauenfußball ganz anders gefördert wird und eine andere Wahrnehmung genießt. „Für die Männervereine in der englischen Premier League ist es für den Lizenzerhalt verpflichtend, eine Frauenmannschaft zu haben. Dadurch profitieren die Frauen von einem sehr viel professionelleren Umfeld in Bezug auf Ausstattung, Marketing-Reichweite und Sponsoren-Gelder“, berichtet sie.

Ähnliche positive Entwicklungen in den angelsächsischen Ländern und eine unzureichende Nachahmerschaft in Deutschland beobachtet auch Rolf Kutzmutz, Präsident des Frauenfußballvereins Turbine Potsdam. Er wünscht sich eine bessere Unterstützung für Vereine und Kickerinnen, vor allem durch den Deutschen Fußball-Bund und plädiert dafür, dass Frauenfußball eine eigene und besondere Sportart bleiben muss. „Wenn bei unseren Spielen zwei Polizisten durchs Stadion laufen, ist das schon viel“, schildert er.  Eine lockere Atmosphäre, viele Familien auf den Rängen, ein anderes – nämlich nahezu kein – Aggressivitätsniveau: Das zeichne den Frauenfußball aus.

Positionen im Deutschen Fußball-Bund? Bisher reine Männersache!

Foto: Reinhardt & Sommer

Dass es dennoch Menschen gibt, die mit Mut, Durchhaltevermögen und kreativen Ideen für einen höheren Stellenwert des Frauenfußballs kämpfen, zeigen Ute Groth und Uwe Hellmann. Ute Groth, die seit zwölf Jahren den DJK TuSA 06 e. V., einen Sportverein in Düsseldorf mit großer Fußballabteilung leitet, bewarb sich 2019 überraschend für den Vorsitz des Deutschen Fußball-Bundes, um „mit neuen Ideen Dinge in Bewegung zu setzen“.  Ihre Kritik: „Beim DFB werden bis heute Positionen in einer Männerblase ausgetüftelt. Entscheider im Sport sind weiterhin Männer. Frauen sind da, um Protokolle zu schreiben. Trotz Gleichberechtigungsdebatte hat sich in den letzten Jahren im Fußball nichts getan“.  Mit ihrer Bewerbung erreichte Ute Groth große mediale Aufmerksamkeit. „Ich habe sogar Interviews in französischen Medien gegeben“, erzählt sie.

Um mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit geht es auch Uwe Hellmann, der das Brand Management und Corporate Marketing der Commerzbank AG leitet. Gemeinsam mit dem Deutschen Fußballbund entwickelte er passend zur Fußballweltmeisterschaft der Frauen 2019 die #pferdeschwänze-Kampagne. „Uns war es wichtig, die Kampagne in partnerschaftlicher Abstimmung mit der Frauennationalmannschaft zu erarbeiten und gemeinsam zu entscheiden, welche Themen wir ansprechen“, so Uwe Hellmann im Gespräch mit den Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde. Sein Ziel: Der Frauennationalmannschaft eine Bühne geben, mit Vorurteilen aufräumen, Frauen und Männer wachrütteln – und das nicht mit Jammerei, sondern mit Provokation, Authentizität und einer ordentlichen Portion Humor. Die Kampagne schlug ein und erzielte einen immensen Erfolg – national wie international. Der Hashtag „pferdeschwänze“ verbreitete sich weltweit rasend schnell, Millionen Menschen feierten die Kampagne im Netz, internationale Medien übersetzten den Werbespot und viele Neukunden wechselten zur Commerzbank.

Eine für alle vs. wütende Einzelkämpfer und Nationalhelden

Nach diesen ersten beeindruckenden Impulsen ging es für die Teilnehmerinnen selbst aufs Spielfeld: Kreativ- und Reflexionssessions standen auf dem Trainingsplan. Die Frage: Welche Frauenbilder können Unternehmen nutzen und machen es attraktiv, Frauen im Fußball zu unterstützen?

Foto: Reinhardt & Sommer

Um ungewöhnliche Wege aus den etablierten Pfaden zu entwickeln, unterteilte sich das kreative Gehirnjogging in drei Teams: Das erste Team ging den tradierten Frauen- und Männerbildern im Sport auf den Grund. Dazu diente eine Collage, die das Team aus alten Zeitschriften zusammenstellte. Die Quintessenz der Bastelstunde: Man ist schnell bei Klischees. Während im Frauensport das kooperative Motto „alle für eine, eine für alle“ und die gegenseitige Unterstützung im Vordergrund stehe, hielten sich beim männlichen Pendant häufig die Attribute des „einsamen und wütenden Kämpfers“ und des Nationalhelden, vor allem im Fußball.

 

Doch wie nähert man sich diesen tradierten Geschlechterbildern akustisch? Ein kurzer Rückblick vom zweiten Team rief bekannte Fußballsongs der jüngeren Chartgeschichte ins Gedächtnis, die – mal erfolgreich („Auf uns“ von Andreas Bourani), mal weniger erfolgreich („`54, `74, `90, 2010“ von den Sportfreunden Stiller) – die männliche Fußballnationalmannschaft in deren Kampf um den Weltmeistertitel anfeuerten. Auf einen ähnlichen Hit für die deutsche Frauennationalmannschaft – immerhin achtmalige Europameisterinnen und zweimalige Weltmeisterinnen – stieß die akustische Arbeitsgruppe nicht. Dafür auf unterschiedliche Kleidervorschriften für SportlerInnen, insbesondere bei einem weiteren Ballsport, dem Volleyball: Fraglich bleibt, ob die Länge beziehungsweise Passform der Sportbekleidung ausschließlich dem reibungslosen Spielablauf dient.

Foto: Reinhardt & Sommer

Inspiriert von der sportlichen Ausgangslage wählte auch das dritte Team eine aktive Herangehensweise an die Leitfrage und funktionierte kurzerhand die wenigen Quadratmeter des Tagungsraums zu einem Fußballfeld um. In zwei Runden wurde „kreativ gekickt“. Während die erste Runde noch etwas zaghaft und gemeinsam „im Flow“ ablief, zeichnete sich in der zweiten Runde ein echter Wettkampf um den Titel ab. Das insgesamt „kooperative Battle“ zeichnete sich durch weniger strikte Hierarchien im Spielaufbau und durch eine intuitive Spielführung aus.

 

„Kooperatives Battle“ als faire und objektive Form des Wettbewerbs

Erschreckend deckungsgleich ließen sich die aufgedeckten Frauenbilder im Sport in einem nächsten, reflektierten „Sprinting“ auf gesellschaftliche Fragestellungen und die Arbeitswelt übertragen. Neu zusammengewürfelte Arbeitsgruppen brainstormten intensiv zu Auswegen aus ungleicher Entlohnung bei gleicher Leistung, vermeintlich männlich oder weiblich geprägten Firmenkulturen oder auch zur Frage, inwiefern externe Faktoren die Frauenrepräsentanz in Unternehmen beeinflussen können.

Foto: Reinhardt & Sommer

Das Ergebnis: Dass Frauen Wettbewerb scheuen, ist ein Vorurteil. Allerdings bevorzugen sie hierbei das Modell des „kooperativen Battles“, eine neue Methode, die im Rahmen der Elefantinnenrunde 2019 entwickelt wurde (den ausführlichen Artikel gibt es hier):  Kooperatives Batteln ist eine neue Haltung, bei der Herausforderungen und Reibung genutzt werden, um sich als ganzes Team weiter zu entwickeln. Durch Teamarbeit, Empathie, Solidarität und Kooperation wird eine hohe Schlagkraft erreicht. Das Kooperative Batteln stützt sich dabei auf faire Vergleiche, Vergleichsgrundlagen, Spielregeln, die auch durch Frauen geprägt wurden, und eine objektive Beurteilung durch einen unparteiischen Schiedsrichter.

 

Hier müsse noch in vielen Unternehmen ein Kulturwandel stattfinden, der eher langfristige und nachhaltige Ziele statt „Quick-Wins“ in den Blick nimmt. Geldgeber, Vorstände oder Kunden können einen derartigen Kulturwandel sowohl im Sport als auch im Unternehmen beeinflussen, beispielsweise durch die bewusste Einforderung und Förderung von weiblichen Vorbildern.

Besonders wichtig erscheint hierbei die Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern – die #pferdeschwänze-Kampagne ist ein gelungenes Beispiel für einen disruptiven Agenda-Setter für Gleichberechtigung und Diversität. Daher freuen wir uns umso mehr, bei einem weiteren Gespräch mit Uwe Hellmann im neuen Jahr weitere Einblicke in die Erfolgsfaktoren dieser Kampagne zu erhalten. Zunächst geht aber ein besonderer Dank für diesen spannenden Workshop an unsere Gäste und an Heidi Friedrichs, Angela Haas und Bettina Weiguny für die Vorbereitung und Moderation.

Illustration: Thuy Chinh Duong

Autorinnen: Larissa Rohr, Trainee in der Unternehmenskommunikation

Jana Schubert, wissenschaftliche Mitarbeiterin mit den Schwerpunkten Deutsch-Französische Beziehungen und EU

„Für uns ist die Elefantinnenrunde ein Wochenende voller inspirierender Ideen, kluger Gedanken und kreativer Momente. Wir sind voller Elan und Begeisterung nach Hause gefahren.“

 

Lina Albrecht, Christine Thoma, Rolf Kutzmutz, Judith Scholz, Ute Groth, Uwe Hellmann (v. l.). Foto: Reinhardt & Sommer