• Selbstorganisation ist vergleichbar mit dem Auflösen eines „Gordischen Knotens“ ohne Ansagen und Führung von außen.
  • Selbstorganisation und Selbstführung wird oft mit Chaos verwechselt. Wenn dagegen Struktur und Rahmenbedingungen Orientierung geben, sind selbstorganisierte Systeme schneller und effektiver im Lösen komplexer Probleme.
  • Flexibilisierung von Organisation, Führung, Ort und Zeit hilft dabei, schneller Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und zu kooperieren.

Es gibt nur wenige Wörter, die heutzutage breiter, vielfältiger und allumfassender scheinen als die Begriffe „New Work“ und Selbstorganisation. Doch was steckt hinter diesen Buzzwörtern? Eine lang überfällige Vision? Eine Revolution in der Arbeitswelt? Echte Aufbruchstimmung in den Unternehmen oder ein bloßer Hype der Generation Y? Die Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde haben sich den Management-Begriffe der Stunde vorgeknöpft, ihn von hinten „aufgeknotet“ und sich dabei viele Gedanken über das Thema Selbstorganisation gemacht.

Mein Workshop umfasste auch einen Selbstversuch: Die Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde schlossen die Augen und griffen im Kreis nach je zwei Händen. Beim Öffnen der Augen wurde das Ausmaß des „Kuddelmuddels“ sichtbar und „der Gordische Knoten war geboren“. In der ersten Runde hatte eine Teilnehmerin, die selbst nicht Teil des Knotens war, die Aufgabe, den Knoten aufzulösen. Sie gab Einzelanweisungen und Tipps zu Bewegungsabläufen. Ich war sichtlich beeindruckt: In unserem Fall übernahm sie die Führung und vergab nicht einfach Befehle, sondern fragte die Teilnehmerinnen, wo es viel und wenig Bewegungsspielraum gab. Nach fünf Minuten war der Knoten gelöst. Bei der zweiten Runde sollte dies im gleichen Setup erneut gelingen. Nur diesmal ohne Führung von außen: Jede bewegte sich nach ihren Möglichkeiten. Mit dem gemeinsamen Ziel im Kopf war der Knoten in knapp einer Minute gelöst. Genau das ist Selbstorganisation.

Führungsformen je nach Situation

Das Beispiel zeigt: Wenn jede Verantwortung übernimmt und mit ihren Möglichkeiten zum großen Ganzen beiträgt, sind schneller Resultate sichtbar. Die Vorteile gegenüber der Variante mit einer Führungskraft, die alles kennen, wissen, kontrollieren und verbalisieren muss, sind offensichtlich. Daher haben viele erkannt, dass der Vorgesetzte abgesetzt gehört! In der Diskussion mit den Teilnehmerinnen wurde deutlich, dass dies einerseits verkürzt ist, denn verschiedene Situationen und Organisationen benötigen verschiedene Formen der Führung. Selbstführung liegt nicht allen Menschen und ist insbesondere nicht von „heute auf morgen“ umsetzbar. So fehlen oft Mitarbeitenden in Organisationen, die einen neuen Weg einschlagen, die Vorbilder, die nötigen Strukturen und Halt im Umgang mit Flexibilität, Unsicherheit und Freiheit. Gerade in diesen Situationen wünschen sich die Mitarbeitenden dann Führungspersonen die Orientierung geben und weiterhelfen. Und es gibt Führungsebenen und Mitarbeitende in Unternehmen, die sich eine andere Art der Arbeit gar nicht vorstellen können.

Wann gelingt eine neue Form der Arbeit?

Der Philosoph Frithjof Bergmann hat in den 1980er Jahren Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe als zentrale Werte des Arbeitslebens benannt und damit das „New Work“-Konzept aus der Taufe gehoben. Heute wird darunter insbesondere die Flexibilisierung von Arbeitsort, Arbeitszeit, Führung und Organisation verstanden. Dies alles soll helfen, dass wir uns besser entfalten können und effektiver zusammenarbeiten. Bei aller Flexibilisierung braucht es Rahmenbedingungen, damit eine gute Zusammenarbeit gelingt und kein Chaos entsteht.

Blicken wir zurück auf den Gordischen Knoten, können wir diese Rahmenbedingungen ebenfalls erkennen: Jede konnte sich vorstellen, wie das Ergebnis aussehen kann und wann es erreicht ist, ohne eine exakt gleiche Zielvorstellung. Es reicht, wenn wir den Erfolg und das Erreichen erkennen. Die exakte Beschreibung und Festlegung auf Details würde dem Ergebnis im Wege stehen oder die Lösung gar unmöglich machen. So hätten die Teilnehmerinnen beispielsweise vorher festlegen können, wer nach Auflösen des Knotens neben wem stehen muss und welcher Durchmesser der aufgelöste Kreis haben soll. Dieses hätte wahrscheinlich nicht erreicht werden können, ohne den Knoten zu durchbrechen. Mit dem gemeinsamen Ziel vor dem inneren Auge konnte sich jede im vorgegebenen Rahmen von Ort und Zeit flexibel anpassen und entscheiden, wann und wie sie sich bewegt und wie sie mit den anderen kommuniziert.

Unser Fazit: New Work gelingt dann, wenn ein sinnvolles Ziel gegeben ist und wir gemeinsam auf Augenhöhe darauf hinarbeiten können. Dabei hilft die Flexibilisierung von Organisation, Führung, Ort und Zeit dabei, schneller Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und zu kooperieren.  Mit guten Rahmenbedingungen und Kommittent der Beteiligten gelingt es Chaos zu vermeiden und Unsicherheit auszuhalten.

Illustratorin & Autorin: Angela Haas, Professionelle Erfinderin und Partnerin in einer Innovations-Beratung

„Für mich ist die Elefantinnenrunde ein Ort, an dem unterschiedlichen Perspektiven zusammenkommen und an dem sich eine Energie entwickelt, die mich inspiriert.“

Foto: Reinhardt & Sommer