- Teilnehmerinnen der Elefantinnenrunde beraten Entscheidungsträgerinnen in verschiedenen Positionen zu unterschiedlichen Fragestellungen. Sabine Müller, CEO bei DHL Consulting, suchte sich im Rahmen einer “KI-Session” (KI steht hier für kollegiale Intelligenz und kreativen Input) bei der Elefantinnenrunde 2019 Rat von fünf ausgewählten Frauen. Ihre Fragestellung: Wie kann es gelingen, dass mehr Frauen Verantwortung in operativen Bereichen bei DHL übernehmen und sich damit wichtige Fähigkeiten aneignen, die für die nächste Stufe auf der Karriereleiter eine Voraussetzung sind?
- Ein Ergebnis der Beratungsrunde: Frauen entwickeln ihren Berufsweg häufig über einen thematischen Bezug und haben zu Macht in der Tendenz eine andere Haltung als Männer. Auch fehlende Informationen und Intransparenz über die Herausforderungen von Stellen können Frauen davon abhalten, Führung zu übernehmen.
- Um mehr Frauen zu ermutigen, Verantwortung im operativen Geschäft zu übernehmen, schlug das Beraterinnenteam vor, ein wertschätzendes Umfeld und die Möglichkeit des Job-Shadowings zu schaffen, eine aktive Ansprache zu wählen und passende Karrierewege aufzuzeigen. Zugleich ist jede Frau selbst gefragt, ihre Karriere aktiv anzugehen und sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen.
Sabine Müller, CEO bei DHL Consulting, ließ sich im Rahmen einer “KI-Session” bei der Elefantinnenrunde 2019 von fünf ausgewählten Frauen beraten. KI steht für kollegiale Intelligenz und kreativen Input. Dabei handelt es sich um ein Beratungsformat der Elefantinnenrunde, das sich an Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in verschiedenen Positionen richtet. In einer vertraulichen Runde erhalten diese kreative Impulse, neue Perspektiven, Lösungsansätze und Strategien zur Lösung ihrer Herausforderung. Moderiert wurde die 80-minütige KI-Session in Potsdam von Lea Regling.
Sabine Müller brachte ihrem Beraterinnenteam, bestehend aus Dr. Anja Miehe, Dr. Lena Wollschläger, Dr. Nadja Harraschain, Hannah Ruppelt und Melina Harloff, folgende Fragestellung mit: Die Pipeline für Führungskräfte in ihrem Unternehmen füllt sich nur spärlich mit Frauen. Auf der oberen Führungsebene tummeln sich derzeit etwas mehr als zehn Prozent Frauen, die direkt an den Vorstand berichten. Eine Karriere ganz nach oben setzt bei DHL oft voraus, dass Männer und Frauen einige Jahre Erfahrung in operativen Jobs vorweisen können. Faktisch bedeutet dies die Übernahme leitender Verantwortung in einem der Paket- und Logistikzentren der DHL und damit die Anleitung von 200 bis über 5000 Mitarbeitern vor Ort. Eine solche Aufgabe erfordert meist einen Ortswechsel und die Einordnung in die fixen zeitlichen Abläufe des Logistikgeschäfts. Bereits im Bewerbungsprozess fällt auf, dass lediglich wenige weibliche Bewerberinnen für operative Rollen im Bereich Logistik auf sich aufmerksam machen. Sabine Müllers Vermutung: “Frauen trauen sich diese Aufgabe tendenziell nicht zu. Auch Work-Life-Balance könnte eine Rolle spielen”.
Typische Stolpersteine für Frauen
Nachdem Sabine Müller ihre Herausforderung erläutert hatte und Verständnisfragen geklärt waren, folgten Diskussion und Analyse des Beraterinnenteams unter sich. Hier zog sich die Themengebende vollständig aus der Diskussion zurück und hörte nur zu. Dem Beraterinnen-Team war die skizzierte Situation nicht unbekannt. Alle Beraterinnen haben unterschiedliche berufliche Hintergründe. Gemein war ihnen, dass sie entweder noch ganz am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen oder erst einige Jahre im Beruf sind. Typische Karrierehürden für Frauen sahen die Beraterinnen in einem Auseinanderfallen von Selbsteinschätzung und dem, was andere ihnen zutrauen, der häufig schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie fehlenden unternehmensinternen Netzwerken für Frauen. Häufig beobachten sie, dass Vorbilder im eigenen Umfeld Mut und im Einzelfall den Unterschied machen. Die Beraterinnen identifizierten denkbare Hürden in Unternehmen. Dazu gehören neben einer (häufig) schwierigen Kommunikation zur Karriereplanung auch fehlende Informationen und Intransparenz über die Herausforderungen von Stellen und die dafür erforderlichen Skills.
Operations, voll cool!? Wunschliste aus Frauensicht
Anschließend bat Sabine Müller die Beraterinnen um ihre Einschätzung: Was wäre für sie die jeweils persönliche Wunschliste, um die eigene Komfortzone zu verlassen, in einen operativen Job zu wechseln und damit der eigenen Karriere einen Schub zu geben? Im Subtext: Was macht eigentlich den Unterschied zwischen Männern, die diese Herausforderung (scheinbar leicht) annehmen und Frauen, die sie als (nahezu unüberwindbare) Hürde empfinden?
Die Beraterinnen kamen zu dem Ergebnis, dass Frauen ihren Berufsweg häufig über einen thematischen Bezug entwickeln. Zu Macht – als Karriereziel und treibenden Faktor – haben Frauen in der Tendenz eine andere Haltung als (viele) Männer. Hilfreich sind hingegen ein wertschätzendes Umfeld, eine aktive Ansprache und das Aufzeigen passender Wege. Zugleich sollten externe oder persönliche Faktoren nicht unterschätzt werden, denn viel hängt von der persönlichen Haltung und Mentalität ab. Erfahrungsgemäß können familiäre Vorbilder einer Frauenkarriere die wesentliche Start-Energie geben. Zugleich hilft ein reflektiertes Selbstbild dabei, neue Herausforderungen anzunehmen. Die Beraterinnen identifizierten einige konkrete Ansätze für Sabine Müllers Anliegen: Durch Job-Shadowing könnte DHL die Möglichkeit schaffen, dass Mitarbeitende die Paket- und Logistikzentren „spielerisch“ und ohne große Hürden kennenlernen. Flexible und alternative Arbeitsmodelle können die Barrieren für eine berufliche Veränderung senken. Gezieltes Coaching, bzw. Training von Frauen mit Führungspotenzial kann diesen den Weg ebnen.
Die Unternehmensperspektive: Kann klappen, aber bitte nicht zu individuell
Nach der Wunschliste der Beraterinnen kam der Abgleich aus CEO-Perspektive. Sabine Müller betonte ihre persönlichen Erkenntnisse aus dem Zuhören: Frauen haben einen etwas anderen Blick auf Karriere als Männer. Ihr Antrieb ist mehr die inhaltliche Ausrichtung und weniger Macht und Leadership. Förderung von Frauenkarrieren bedeutet deshalb auch, einen Blick auf Machtstrukturen und Hierarchie im Unternehmen zu werfen. Zugleich appellierte sie daran, dass sich nicht nur Unternehmen, sondern auch karrierewillige Frauen bewegen müssen. “Zu individuell” ließen sich Anforderungen im Unternehmen nicht realistisch umsetzen.
Nächste Schritte – Nicht nur für Sabine Müller
Sabine Müller nahm einige persönliche “Next Steps” aus der KI-Session mit: Frauenförderung im Unternehmen heißt auch Führung anders zu denken. Ein Jobsharing in Führungspositionen könnte dabei hilfreich sein. Die Stellenprofile der operativen Jobs will sie prüfen und an Bedarfe (auch) von Frauen anpassen. Konkret möchte sie Stellenausschreibungen noch klarer formulieren, sie motivierend aufbereiten und näher auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eingehen. Die Anforderungen sollen nach dieser Prüfung sachgemäß umgesetzt werden: Welche Routinen (z.B. Vorortzeiten) sind zwingend? Was kann auch auf andere Weise sichergestellt werden? Auch die Idee des Job-Shadowings für eine erhöhte Transparenz könnte aus ihrer Sicht hilfreich und umsetzbar sein.
Zugleich war als Ergebnis der KI-Session klar: Jede Frau ist selbst gefordert, ihr Selbstbild zu reflektieren und sich neugierig und mutig auf unbekanntes Terrain zu begeben. Und genau das hat die KI-Session bei mindestens einer Zuhörerin im Publikum bewirkt. Diese hatte eine karriererelevante Entscheidung zu treffen: Nach der KI-Session entschied sie sich gegen einen neuen Job im strategischen Bereich ihres Arbeitgebers und für eine Leitungsposition im operativen Geschäft, für die sie sich nun vielen neuen Herausforderungen stellt.
Zwischen den Zeilen: Raum für Interpretation
Im Anschluss an die KI-Session drängt sich die Frage auf: Was unterscheidet die Situation für Frauen von der, der Männer gegenüberstehen? Hier kann nur eine These aufgestellt werden: Die Sozialisierung macht den Unterschied. Mädchen werden tendenziell zum “Liebsein” erzogen, während Jungen nicht “weinen dürfen”. Damit geht eine höhere Risikofreude von Jungen (und später Männern) einher, die wir Frauen uns erst viel später erarbeiten müssen. Jungen lernen in ihrem Freundeskreis das spielerische Kämpfen auf dem Bolzplatz. Mädchen hingegen sehen sich – überspitzt formuliert – vor allem im Wettkampf um Schönheit gegenübergestellt. Somit sind die Spielregeln, denen Frauen und Männer folgen, unterschiedliche. Die Geschäftswelt ist nach wie vor männlich geprägt und damit auch die geltenden Spielregeln. Frauen starten mit anderen Spielregeln als Männer ins Berufsleben und lassen sich daher vielleicht auch ungern auf die der Männer ein.
Mit der Ablehnung von “zu individuellen” Anpassungen auf Seite des Unternehmens traf Sabine Müller einen sensiblen Punkt. Eine Beraterin äußerte daraufhin klar: “So werdet ihr mich verlieren.” Im nachfolgenden Diskurs zwischen Sabine Müller und den Beraterinnen schwangen zwischen den Zeilen wesentliche Fragen mit: Sind Anpassungen im Unternehmen an spezifische Frauenbedürfnisse wirklich notwendig? Oder stabilisieren sie eine Art “Prinzessinnen-Stellung” von Frauen, denen man es erst recht machen muss, bevor sie sich eine Karriere zutrauen?
Die komplexen Hintergründe konnten in der kurzen KI-Session nicht umfassend beleuchtet werden. Nach Eindruck der Moderatorin Lea Regling hat die Debatte bei einigen Teilnehmerinnen etwas in Gang gesetzt. Viele Gespräche im Anschluss an die KI-Session lassen sie zu dem Schluss kommen, dass ihre Antwort auf beide Fragen “ja” ist. Ja zur ersten Frage, weil die reale Situation von Frauen nicht aus dem Blick geraten darf. Wer als Mädchen zum Liebsein erzogen wurde und als Erwachsene faktisch (häufig) den Löwenanteil an sogenannter Care-Arbeit trägt, hat nicht ohne Weiteres den Biss und die Energie, sich mutig auf Unbekanntes einzulassen. Jede einzelne Frau findet sich hier in einem persönlichen Konflikt und zugleich hat die Situation eine gesellschaftliche Tragweite. Daher sollten Lösungen auf gesellschaftlicher Ebene gesucht und gefunden werden.
Ja, auf die zweite Frage, weil es für jede einzelne Frau auch darum geht, die eigene Komfortzone zu verlassen und damit anerzogenes Verhalten sowie starre Rollenverteilung ein Stück mehr aufzubrechen. “Aus meiner Sicht sollte das, was viele Frauen heute ausmacht und (in der Tendenz) von Männern unterscheidet, als Chance für Unternehmen gesehen werden. Eine Ausrichtung auf Themen und nicht auf Machtgewinn, Sorgfalt im Umgang miteinander, Kommunikationsstärke, die Fähigkeit in Verbindung mit anderen zu treten und dadurch gemeinsam etwas zu schaffen: Das alles kann helfen, Unternehmen durch eine komplexe Welt zu navigieren und zukunftsfähiger zu machen”, so Lea Regling, Moderatorin der KI-Session und Co-Autorin dieses Artikels.
Das KI-Format der Elefantinnenrunde
KI ist ein exklusives Beratungsformat der Elefantinnenrunde und steht für den “Kreativen Input” und die “Kollegiale Intelligenz” der Frauen im Netzwerk. Im Zeitrahmen von etwas einer Stunde werden im Wechsel aus Input, Zuhören und Feedback sechs moderierte Phasen durchlaufen. Die themengebende Person erhält so neue Impulse und Perspektiven. Eigene Denkgrenzen können überwunden und andersartige Lösungsansätze und Strategien entwickelt werden. Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in verschiedenen Positionen, die durch ihr Tun die Gesellschaft aktiv gestalten möchten, sind herzlich eingeladen die Kollegiale Intelligenz der Elefantinnenrunde in Anspruch zu nehmen.
Illustration: Juliane Pieper
Autorinnen: Lea Regling, Volljuristin, Mediatorin und lösungsfokussierte Beraterin
„Für mich ist die Elefantinnenrunde ein Ort, an dem Neues entsteht und Zukunft gestaltet wird – durch Frauen (und Männer) aus vielen Branchen und Berufen. Ein unvergleichlicher Perspektivenmix.“
Sina Burmeister, Berliner Startup-Gründerin
„Für mich ist die Elefantinnenrunde ein äußerst wertvolles Netzwerk, indem Frauen in top Führungspositionen und welche, die auf dem Weg dorthin sind, sich in einmaliger persönlicher Atmosphäre gegenseitig austauschen und unterstützen. Gemeinschaftlich setzen sich wir Elefantinnen uns besonders für die Potentialentfaltung von Frauen ein.“